Real-Time Delivery – Onlinekauf mit taggleicher Lieferung auf Kosten von Effizienz und Nachhaltigkeit?

Paketbote

Foto: Nullplus/Adobe Stock

Der wachsende Onlinehandel ermöglicht zunehmend eine taggleiche Lieferung der Waren und befeuert das Sendungsaufkommen immens. Verkraftet die "Logistik der letzten Meile" diese Paketexplosion überhaupt oder stehen unsere Metropolen unmittelbar vor dem Kollaps?

Das Umsatzwachstum im Onlinehandel ist nach wie vor stürmisch, in Deutschland 11,6 % im 3. Quartal 2018. Eine "taggleiche Lieferung" der Ware wird statt heute von der Hälfte bis Ende 2019 von zwei Dritteln der Händler angeboten werden. Die Monate November und Dezember vereinen 20 % des gesamten Jahresvolumens auf sich. Bis spätestens Mitte des nächsten Jahrzehnts wird ohnehin bereits eine Verdoppelung des Sendungsaufkommens erwartete. Verkraftet die "Logistik der letzten Meile" diese Paketexplosion überhaupt noch oder stehen unsere Metropolen unmittelbar vor dem Kollaps?

 

Kennen Sie die heute leistungsfähigste Zustellstruktur?

Im Rahmen der Abschlussveranstaltung der interdisziplinären Themenreise 2018 von Drees & Sommer wurde die oben beschriebene Entwicklung in einem eigenen Workshop unter Beteiligung von PROTEMA vertiefend behandelt.

Schnell wurde klar, dass die nach wie vor leistungsfähigste Zustellstruktur immer noch der häusliche Briefkasten ist – weitgehend standardisiert, flächendeckend vorhanden und meist rund um die Uhr zugänglich. Von dieser Situation können Paketdienste nur träumen. Die persönliche Zustellung durch sie schlägt bei jedem zweiten bis dritten Zustellversuch fehl. Eine persönliche Paketübergabe erfolgt oft auch nicht, wenn die Adressaten eigentlich zuhause sind. Kurz gesagt, ohne den freundlichen Nachbarn von nebenan wäre die Paketzustellung in urbanen Bereichen heute überhaupt nicht mehr möglich.

Schnell wird auch erkennbar, dass die heutige Zustellstruktur der Paketdienste aus ihren zentralen, außerstädtischen Distributionszentren direkt und termingenau hin zu den Kunden in den Metropolen zukünftig nicht mehr funktionieren kann. Zwangsläufig erinnert man sich an des Bild vom Kamel und dem Nadelöhr. Den Innenstädten und ihren Bewohnern droht mehr und mehr der Verkehrs- und Abgasinfarkt, bei den Paketdiensten gehen Planbarkeit und Effizienz bedrohlich in die Knie.

 

Wie werden sich die Zustellstrukturen vor diesem Hintergrund zukünftig entwickeln?

In mehreren Ballungsräumen laufen daher bereits Pilotversuche zu neuen Zustellstrukturen für das Paketgeschäft. Ausgangspunkt ist meist eine zweistufige Belieferung der Kunden. Die erste Stufe setzt für Transporte hinein in die Ballungsräume insbesondere auf eine Bündelung der Volumina und die daraus resultierenden Entlastungen. Innerhalb des Ballungsraums selbst erfolgt dann in der zweiten Stufe die Feinverteilung zum Endkunden. Ausgehend von dezentralen städtischen Stützpunkten wie sogenannten City Micro Hubs, kann die Ware dann beispielsweise mit nachhaltigen und mittels regenerativer Energien angetriebener Verkehrsmittel an die Kunden ausgeliefert werden.

Für den Betrieb solcher City Micro Hubs gewinnen innerstädtische Flächen mit Leerstand, beispielsweise öffentliche Gebäude, Büros, Wohnungen, Häuser, industrielle Funktionsbauten oder auch entsprechende Freiflächen, neue und zusätzliche Nutzungsdimensionen.

Vorstellbar sind die City Micro Hubs auch in Form von bzw. integriert mit Ladenlokalen oder Abholcafés. Hier wird das Prinzip "Ware zum Kunden" in der zweiten Stufe zugunsten des Prinzips "Kunde zur Ware" gedreht. Damit besteht auch die Chance, innerhalb der Metropolen wieder attraktive Anlaufstellen und Treffpunkte für die Bewohner zu etablieren.

 

Real-Time Delivery und neue Zustellstrukturen am Scheideweg

Was muss für einen erfolgreichen und flächendeckenden Wandel der heutigen Zustellstrukturen in den Metropolen passieren? Für die nachhaltige Erschließung der Potenziale bezüglich der Bündelung der Transporte in die Ballungsräume sowie der möglichen Effekte auf der letzten Meile sind technische und physische Plattformen erforderlich. Diese Themen sind sicherlich lösbar. Als erfolgskritisch ist eher der Schritt der Dienstleister weg von Konkurrenzgedanken und Wettbewerb anzusehen. Erst der Wandel hin zu gemeinsamem Agieren oder zumindest die Akzeptanz einer "White-Label Logistik" für kritische Schritte der Zustellung wird insgesamt zu neuen Möglichkeiten führen. Anderenfalls kann es passieren, dass das Thema Real-Time Delivery als Ganzes sowohl unter Effizienz- als auch unter Nachhaltigkeitsaspekten schnell wieder auf die Kippe gerät.

 

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