Personalisierte Produktion in der Industrie 4.0 – Megatrend kundenindividuelle Massenproduktion

Produktion in der Industrie 4.0

Foto: Gerd Altmann/Pixabay

Frau Meier will sich einen brandneuen und individuell gestalteten Schuh kaufen. Derzeit nimmt sie sich ihr Smartphone oder ihr Tablet, ruft die App eines Schuhherstellers auf und wählt das gewünschte Modell. Zur Personalisierung des Schuhs lässt sich Frau Meier noch ihren Namen in die Seite des Schuhs sticken. Doch wie wird sie ihren Schuh in der Zukunft kaufen?

Nachdem Frau Meier sich für einen individuellen Schuh bei ihrem Schuhhersteller der Wahl entschieden hat, kennzeichnet ein Code den Auftrag für den gewünschten Schuh. Der Auftrag wandert nun direkt in die Fabrik des Schuhherstellers. Eingreifen kann Frau Meier jetzt nicht mehr, sie kann lediglich die Bestellung stornieren oder nachverfolgen. Doch wie wird sie ihren Schuh in der Zukunft kaufen?

 

Fabrik für alle Fälle – Das Werkstück steuert die Produktion selbstständig

Die Fabrik der Zukunft wird in der Industrie 4.0 als Smart Factory bezeichnet. Grundlegender Unterschied zur Modularen bzw. Fraktalen Fabrik ist die vollständige Ausstattung der Fertigung mit Sensortechnik, Aktoren und anderweitigen autonomen Systemen. Rohlinge können beispielsweise am Anfang der Produktion mit einem RFID-Tag ausgestattet werden, wodurch sie zu „intelligenten Werkstücken“ werden. Die Smart Factory, wie beispielsweise die ARENA2036 in Stuttgart, ist durch eine tiefgreifende Integration von Objekten, Menschen und Maschinen gekennzeichnet. Ermöglicht wird dies durch Cyber-Physical-Systems (CPS), hier werden alle Objekte der Produktion virtuell abgebildet und vernetzt. Die CPS sind eine Weiterentwicklung der Embedded Systems und werden auch als Internet der Dinge bezeichnet. Alle Objekte der Produktion erhalten also ein digitales Abbild und eine eigene integrierte Intelligenz. Die verbundenen CPS liefern echtzeitfähige digitale Abbilde und ermöglichen die Verschmelzung der realen und der digitalen Fabrik. Aus den Daten können zu jedem Zeitpunkt optimale Wertschöpfungsflüsse abgeleitet werden, es entstehen dynamische und sich selbst organisierende Wertschöpfungsnetzwerke, die sich nach Merkmalen wie Kosten oder Ressourcenverbrauch optimieren lassen.

Jegliche Maschinen, Werkzeuge und Produktionssysteme in der Fertigung sind für verschiedene Aufträge und Anwendungen konfigurierbar. Es entsteht eine hohe Produktionsflexibilität, die durch komplexe Rechenleistungen auf den verschiedenen, miteinander verbundenen Unternehmensebenen ermöglicht wird. Durch das Internet kann die Abstimmung hierbei sowohl über Standort-, als auch Unternehmensgrenzen hinweg stattfinden. Es bilden sich hoch dynamische Wertschöpfungsnetzwerke, in denen die Produktionskapazitäten auftrags- und produktspezifisch ausgeglichen werden können. Dies wird als vertikale und horizontale Integration bezeichnet.

 

Der Kunde der Zukunft

Durch die erhöhte Flexibilität sind die Wertschöpfungsnetzwerke befähigt die Personalisierung der Produktion voran zu treiben. Statt dem Streben nach Skaleneffekten durch standardisierte Produkte mit einer begrenzten Anzahl an Varianten geht die Entwicklung in Richtung des Mass Customization. Dies zeichnet sich durch hoch individuelle, auf die Kundenbedürfnisse angepasste Produkte aus, die mit den Kostenvorteilen der Massenproduktion angeboten werden können. Bei personalisierten Produkten beginnt die Leistungserstellung mit einer Interaktion zwischen dem Hersteller und dem Kunden, das heißt, dieser wird ebenso in den Wertschöpfungsprozess integriert.

 

Einzelstücke gehen in Serie

In der Variantenproduktion, die derzeit in vielen Industriebereichen als Produktionsstrategie vorherrscht, wird versucht, die hohe Produktvielfalt mittels Variantenmanagement und Baukastenmanagement zu kontrollieren. Dabei werden Kundencluster gebildet, um die Kundenwünsche und -anforderungen an das Produkt zu erfüllen. Dies ist für eine wirtschaftlich erfolgreiche Produktion notwendig, da hierdurch Skaleneffekte und Erfahrungskurvenvorteile generiert werden, die die Produktionskosten senken können. Andererseits findet keine optimale Befriedigung der Kundenwünsche und -anforderungen statt.

Die personalisierte Produktion zeichnet sich durch veränderte Spezifika aus. Die Kundencluster werden aufgebrochen und die Wünsche des einzelnen Kunden gehen direkt in die Produktgestaltung und die Produktion ein. Die Stückzahl der individualisierten Produktion kann bis 1 zurückgehen, es werden also Individualprodukte produziert, die optimal auf die Bedürfnisse der Kunden angepasst sind. Hierdurch wird ein wichtiger Erfolgsfaktor deutlich, die Intensivierung des Austauschs zwischen dem Kunden und den Produzenten. Marktforschungen, wie sie bisher für die Kundenclusterung durchgeführt werden, sind für die personalisierte Produktion nicht mehr zielführend. Für eine stetige und effiziente Umsetzung der individuellen Kundenbedürfnisse bedarf es neuer Produktkonfiguratoren, um die Wünsche an das Produkt zu verwirklichen.

 

Klasse statt Masse – Chancen durch die personalisierte Produktion

  • Auf die Kosten kommen: Mit dem Wandel der Variantenproduktion hin zu der personalisierten Produktion wird es wirtschaftlich die Stückzahl 1 zu produzieren und somit alle relevanten Kundenwünsche zu erfüllen. Mit den etablierten Produktionsmethoden werden bei geringsten Stückzahlen sehr kleine Synergieeffekte erzeugt, wodurch die Produktkosten deutlich ansteigen. Aufgrund der starken Vernetzung in Wertschöpfungsnetzwerken der Industrie 4.0 können ebendiese Synergieeffekte entstehen, wodurch ein Kostenvorteil generiert und eine Effizienzsteigerung erzielt werden kann.
  • Alles-immer-sofort-Modus: Gleichzeitig wird die Wandlungsfähigkeit erhöht, Unternehmen können schnell und flexibel auf veränderte Marktbedingungen und Kundenansprüche reagieren.
  • Start-Ups im Startblock: Mit der Fähigkeit kleinere Stückzahlen ökonomisch zu produzieren wird zudem der Markteintritt von neuen, auch kleinen, Unternehmen erleichtert. Für innovative Geschäftsmodelle und Dienstleistungen bietet Industrie 4.0 somit neue Möglichkeiten.
  • Künstliche Kollegen: Die Industrie 4.0 bietet zudem auch Chancen für Produktionsmitarbeiter. Intelligente Assistenzsysteme, wie beispielsweise Serviceroboter, können sie in ihrer Tätigkeit unterstützen und somit dafür sorgen, dass sie länger am Berufsleben partizipieren können.
  • Wie stehen die Chancen: Als Summe dieser Chancen ist für den Wirtschaftsstandort Deutschland eine prognostizierte Produktivitätssteigerung von 78 Mrd. € bis zum Jahr 2025 möglich. Durch die Industrie 4.0 können also sowohl Unternehmen, der Konsument, als auch der individuelle Arbeiter profitieren. Gleichzeitig kann der deutsche High-Tech-Industriestandort gestärkt werden.

 

Schuhkauf der Zukunft – Das ist ein anderes Paar Schuhe

In wenigen Jahren betritt Frau Meier beim Schuhkauf den Laden und wird zunächst von Sensoren und 3-D-Scannern vermessen. Sie bestimmt ein Grundmodell und gestaltet anschließend die Form, das Muster und die Farbe selbst. Die auf ihre Fußform individuell angepassten Elemente kommen aus dem 3-D-Drucker. Diese werden mit den persönlich gestalteten Komponenten zusammengefügt. Innerhalb weniger Stunden kann Frau Meier ihren personalisierten Schuh mitnehmen. Nun kann sie sich der Gestaltung ihres individualisierten Autos, Kleidung oder Müsli widmen.

 

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