Produktion und Logistik stehen vor neuen Herausforderungen. Die Produkte sollen immer schneller und zugleich in hoher Qualität geliefert werden. Ein Schlüssel zum Erfolg liegt in der Digitalisierung und Automatisierung von Logistikzentren und von Produktionsstätten. Die Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit steigen, wenn man die potenziellen Ausbaustufen von Beginn an mit einbezieht und innovative Methoden an der richtigen Stelle einsetzt, erklärt Dipl.-Ing. Michael Flaig, Mitglied der Geschäftsleitung, Head of Operations Engineering und Operation Management bei PROTEMA, im Fachbeitrag für die neueste Ausgabe des Fachmagazins Produktion.
Die Ansprüche der Kunden heutzutage steigen. Einfach und schnell sollen ihre Bestellungen und die Lieferung sein. Zusätzlich übt der Onlinehandel mit seinen kurzen Lieferzeiten Druck auf die Produktion aus. Eine schnelle Reaktionsbereitschaft von Händlern und Unternehmen ist gefragt. Zu den veränderten Wünschen zählt auch der Anspruch an individualisierte Produkte, wodurch die Nachfrage nach Standardprodukten zusehends schwindet.
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Produktion und Logistik stehen aufgrund dieser Ansprüche vor neuen Tatsachen. Erschwert wird die Situation durch den herrschenden Fachkräftemangel in diesen Bereichen und dadurch, dass im Hochlohnland Deutschland ein hoher Kostendruck existiert. Deswegen werden zahlreiche Produktionsstätten ins Ausland verlagert und zusätzliche Lieferer für das eigene Netzwerk benötigt. Der Schlüssel, um dem Marktdruck und den gestiegenen Erwartungen entgegenzukommen, lautet also: Der Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad der Unternehmen muss angehoben werden.
Die Automatisierung von Prozessen findet bereits in vielen Unternehmen statt – somit leisten diese einen Beitrag zur Digitalisierung der Wirtschaft und zum Vorantreiben der Industrie 4.0. Die Digitalisierung und Automatisierung von Produktion, Logistik und Logistikzentren bringt dabei zahlreiche Vorteile mit sich: Die Effizienz kann gesteigert und eine hohe Qualität der Waren gewährleistet werden. Da die Komplexität der Prozesse in Logistik und Produktion steigt, bedarf es jedoch einer gewissen Standardisierung. Dadurch kann die Automatisierung manueller Tätigkeiten gelingen, was einen wichtigen Schritt gegen den Fachkräftemangel darstellt.
Eine Gefahr birgt die zunehmende Digitalisierung jedoch, nämlich den Mangel an Flexibilität. Wenn Unternehmen viel Geld in die neue Infrastruktur stecken, wird oft nicht sehr langfristig gedacht. Verändern sich die Maßstäbe, ist man deshalb nur zu einer langfristigen Reaktion in der Lage. Ausschlaggebend ist also nicht nur die Digitalisierung selbst, sondern auch die Wahl der passenden Prozesse und der dafür benötigten Technik.
Die Antwort darauf sind skalierbare Digitalisierungs- und Automatisierungslösungen. Durch diese gelingt es, die Automatisierung mit einer möglichst großen Flexibilität zu vereinen. So können Unternehmen einerseits von den Vorteilen der standardisierten Arbeitsweisen profitieren, andererseits sind sie weniger starr und können im Falle von Veränderungen, wie es das Sortiment betreffend oder bei Ausbringungsmengen häufig der Fall ist, schnell und kurzfristig handeln.
Die Automatisierung von Prozessen findet bereits in vielen Unternehmen statt. Ausschlaggebend ist nicht nur die Digitalisierung selbst, sondern auch die Wahl der passenden Prozesse und der dafür benötigten Technik.
Beim Betreten eines neuen Marktes können Unternehmen ihr Wachstum anfangs meist nur ungefähr kalkulieren. Wenn zum Beispiel ein Logistikzentrum zu Beginn mit 10.000 bis 15.000 Planungsplätzen rechnet, stellt es beim Eintritt in den Markt nur 8.000 Lagerplätze bereit. Zur selben Zeit errichtet es jedoch schon Freiflächen oder schnell verlagerbare Arbeitsflächen, um bei der Automatisierung der Lagersysteme die Gassen erweitern zu können, ohne dem Betrieb in den Weg zu kommen. Durch skalierbare Lösungen, die schon anfangs das potenzielle Wachstum mit einbeziehen, entsteht der Vorteil, dass die Unternehmen dementsprechend schnell, zeitnah und ohne Reibungsverluste handeln können. Beim Einführen einer skalierbaren Logistik in der Automatisierung und Digitalisierung ist es jedoch essenziell, dass zuvor eine Vision für die zukünftige Entwicklung und die potenziellen Möglichkeiten beim Ausbau entwickelt wird.
Der modulare Aufbau einer Digitalisierungs- und Automatisierungslösung ist ausschlaggebend für deren Skalierbarkeit. Lösungen dieser Art lassen sich in flexibel gestalteten Schritten modular erweitern. Skalierbare Lösungen verlangen nach kleinen Ausbaustufen, die wenn nötig nach dem Baukastenprinzip dazu- oder abgeschaltet werden. Dies ersetzt eine starre Denkweise, wie beispielsweise, dass Liefermengen verdoppelt oder halbiert werden sollen. Bei der Planung beziehen Unternehmen also nicht nur den Ist-Zustand, sondern den langfristigen Bedarf mit ein. Entscheidend ist es, auf die richtigen Methoden, Techniken und Prozesse zu setzen und von Beginn an mit diesen zu planen. Die Skalierbarkeit von Lösungen ist somit idealerweise nicht bloß auf Wachstum ausgelegt. Vielmehr sollten Logistik und Produktion beispielsweise bei veränderten Marktbedingungen die Mengen reduzieren um in Krisenzeiten Kosten minimieren können.
Es empfiehlt sich für Unternehmen, in der Verknüpfung ihrer Prozesse möglichst flexibel zu bleiben besonders in Bereichen, die Schwankungen ausgesetzt sind. Ansonsten können schon geringe Veränderungen an bestimmten Stellen den gesamten Ablauf stören, da sie die Schaffung neuer Schnittstellen erfordern. Solche Ineffizienzen werden bei skalierbaren Lösungen umgangen, da den vorhandenen Prozessen nur Varianten hinzugefügt werden. Somit ist keine neue Synchronisierung der Prozesse erforderlich. Es bedarf vielmehr einer IT-Architektur mit spezifischen Schnittstellen, die übergeordnet die Gewerke und Prozesse leitet. Somit kann die Anzahl der Schnittstellen allgemein vermindert werden und Redundanzen werden vermieden.
Fahrerlose Transportsysteme (FTS) sind ein gutes Beispiel für konkret skalierbare Lösungen in der Automatisierung. Im Gegensatz zu Förderbändern lassen sich diese mit geringem Aufwand innerhalb kurzer Zeit erweitern. Ihre Anzahl lässt sich außerdem nach Belieben erhöhen. Sind bereits Förderbänder im Zentrum einer Anlage angebracht, ist der Ausbau jedoch mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. Denn eventuell muss ein großer Umbau oder das Installieren von Stegen stattfinden, sodass die Ware unter- oder oberhalb der Bänder fahren kann. Ein großer Vorteil von FTS ist, dass sie keine zusätzliche Einarbeitung des Personals benötigen. Auch steigt die Leistung der Kommissionierung bei diesem Automatisierungsgrad, denn die Waren werden beispielsweise zu den Arbeitern geliefert, anstatt dass sie aufwendig mit einem Picker im Lager aufgesammelt werden müssen.
In den Produktionsstätten steigt ebenfalls der Digitalisierungsgrad. Die smarte Produktion stellt heute vermehrt universelle anstatt feste Arbeitsplätze für die einzelnen Montageschritte bereit. Bei universellen Arbeitsplätzen können diverse Schritte erledigt werden und sie sind insgesamt gut skalierbar. Wenn etwa die Nachfrage nach bestimmten Tätigkeiten zunimmt, bedarf es keiner Schaffung neuer Arbeitsplätze, sondern die universellen Plätze können anderweitig genutzt werden. Die Skalierbarkeit von Arbeitsstätten steigt also, je weniger spezifisch diese aufgebaut und ausgestattet sind.
Die Flexibilität von Unternehmen vergrößert sich zum Beispiel auch durch die Nutzung von universellen Trägern. Diese Technik kann Verpackungen unterschiedlicher Art transportieren, anstatt dass Träger nur für Groß- oder Kleinteile verwendet werden. Bei universellen Trägern entstehen keine Veränderungen oder Nachteile, wenn sich die Größe, die Geometrie oder das Gewicht von Produkten verändert. Unternehmen können in ihrer Produktion also auch mit universellen Maschinen flexibel reagieren. Es ist effizienter eine Maschine für mehrere Produkte einzusetzen, anstatt wie zuvor für ausschließlich ein Produkt. Bei gesteigerter Nachfrage kann ein Produkt auch auf einer anderen Maschine verarbeitet werden, sodass keine weitere benötigt wird.
Unternehmen erreichen dank einer skalierbaren Logistik jederzeit eine Effizienzsteigerung in der Auslastung ihrer Maschinen, da sie bei Bedarf den Einsatz hoch- oder runterfahren können. Deshalb sind die Anlagen weder ständig über- noch unterfordert, denn die Skalierbarkeit solcher Lösungen vermeidet Ausreißer in die Extreme. Die Durchlaufzeiten vermindern sich ebenfalls, da die Liege- und Wartezeiten zwischen den Prozessschritten immer möglichst gering gehalten werden.
Zu gewissen Zeitpunkten und einzeln betrachtet haben skalierbare und nicht-skalierbare Lösungen in der Automatisierung und Digitalisierung viele Vor- und Nachteile. Wird nach einer Erweiterung oder Reduzierung von Logistik und Produktion verlangt, ist jedoch eine skalierbare Lösung nach dem Baukastenprinzip gefragt. In Kombination mit den dazu passenden Methoden, Techniken und Prozessen sowie einer langfristigen Planung ist dies schnell und mit geringem Aufwand möglich. Wenn Unternehmen hingegen nicht-skalierbare Lösungen bei Veränderungen einsetzen, müssen sie diese wieder von Anfang an neu planen. Damit ist ein großer finanzieller und zeitlicher Aufwand verbunden und es bedeutet zudem einen Nachteil im Wettbewerb. Die Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit steigen dagegen, wenn man die potenziellen Ausbaustufen in der Zukunft von Beginn an mit einbezieht und innovative Methoden an der richtigen Stelle einsetzt.
Fachbeitrag: Flexibel bleiben dank Baukastenprinzip | PDF, 350 KB
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